„Feindlichkeit schafft Feindlichkeit“
das Konzept „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“

Mit der Aussage Feindlichkeit schafft Feindlichkeit deutet Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung treffend an, was der Begriff Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit meint. Er bezeichnet zunächst eine systematische Abwertung von Gruppen, die als „anders“, „fremd“ oder „nicht zugehörig“ wahrgenommen werden.

Hier geht es nicht um das konkrete Verhältnis von einzelnen Personen, sondern um eine feindselige Abwertung einer bestimmten Gruppe. Besser gesagt – und das ist der entscheidende Punkt:
Zentral ist die Abwertung mehrerer Gruppen. Die Wissenschaftler_innen des Forschungsprojekts „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Bielefeld gehen davon aus, dass die feindseligen Einstellungen gegenüber unterschiedlichen Gruppen eng miteinander zusammenhängen, weshalb sie ihren Untersuchungsgegenstand als ein „Syndrom bezeichnen.

Das heißt: Wenn eine Person beispielsweise fremdenfeindliche Einstellungen hat, neigt sie mit einiger Wahrscheinlichkeit dazu, auch antisemitische, sexistische und homophobe Ansichten zu vertreten.

Es lässt sich beobachten, dass Personen, die Verachtung für Menschen aus einer ihr „fremden“ und abgelehnten Gruppe ausdrücken, häufig auch andere Gruppen als minderwertig ansehen.Wenn die Abneigung gegenüber einer Gruppe ansteigt, besteht die Gefahr, dass sich diese Abneigung auch auf die Einstellungen gegenüber anderen Gruppen auswirkt.

Der Leiter des Projekts – Professor Wilhelm Heitmeyer vom Institut für Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld – konkretisiert die Bedeutung des Begriffs:

Menschenfeindlichkeit zielt nicht auf ein Feindschaftsverhältnis zu einzelnen Personen, sondern bezieht sich auf Gruppen. Werden Personen aufgrund ihrer gewählten oder zugewiesenen Gruppenzugehörigkeit als ungleichwertig markiert und feindseligen Mentalitäten der Abwertung und Ausgrenzung ausgesetzt, dann sprechen wir von Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Hierdurch wird die Würde der betroffenen Menschen antastbar und kann zerstört werden. Das besondere Kennzeichen dieses Begriffs ist seine Spannweite. Sie ergibt sich aus dem Phänomen selbst, denn nicht nur Personen fremder Herkunft sind mit Feindseligkeiten und Gewalt konfrontiert, wenn sie bestimmten Gruppen zugeordnet werden, sondern auch Menschen gleicher Herkunft, deren Verhaltensweisen oder Lebensstile in der Bevölkerung als ‚abweichend‘ von einer als beruhigend empfundenen Normalität interpretiert werden.1

Die Forschungsgruppe um Professor Heitmeyer forschte von 2002 bis 2012 nach unterschiedlichen Vorurteilen bzw. abwertenden Einstellungen gegenüber bestimmten Gruppen. Mit den gleichen Methoden werden seither jährlich einige tausend bundesdeutsche Bürger_innen nach ebensolchen befragt. Über diesen Zeitraum lässt sich eine Entwicklung der entsprechenden Einstellungen beobachten. Wurde zu Beginn der Forschung noch mit 7 Elementen der „Feindseligkeit“ gearbeitet, ergaben sich während der Umfragen weitere Aspekte.

Schließlich ging das Projekt von 11 Elementen „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit aus: Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Demonstration von Etabliertenvorrechten gegenüber Neuankömmlingen, Sexismus, Homophobie, Abwertung von Menschen mit Behinderung, Abwertung von Obdachlosen, Abwertung von Langzeitarbeitslosen und Antiziganismus. Parallel zu dieser Forschung entwickelten auch andere Akteur_innen Studien zu diesen Fragen. Besonders interessant dabei ist die Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die mit dem Titel Fragile Mitte2 viele Aspekte der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit aufgreift und aktualisiert.

Was sich hinter diesen Begriffen und Elementen verbirgt und wie sich die Einstellungen der Befragten entwickelt haben, wird folgendermaßen zusammengefasst:

Fremdenfeindlichkeit:

„Fremdenfeindlichkeit ist die Abwertung von Menschen, die als ethnisch oder kulturell ‚fremd‘ oder ‚anders‘ kategorisiert werden. Hier geht es um die Wahrnehmung von Konkurrenz um knappe, materielle Ressourcen (z.B. Arbeitsplätze, Wohnraum) und eine als bedrohlich wahrgenommene kulturelle Differenz (z.B. in Werten, Lebensweisen).

Wichtig zu betonen ist, dass es hierbei immer um subjektive Wahrnehmungen geht. Eine ganz andere Frage ist es, ob Menschen, die als ‚Fremde‘ eingeschätzt werden, sich tatsächlich so sehr von der jeweiligen Mehrheit unterscheiden. Im Erhebungsjahr 2010 stimmten 49% der befragten Deutschen der Aussage ‚Es leben zu viele Ausländer in Deutschland‘ ‚eher‘ oder ‚voll und ganz‘ zu (2002: 55%).

Der Forderung, die Ausländer in ihre Heimat zurückzuschicken, wenn die Arbeitsplätze knapp werden, stimmen rund 24% zu (2002: 28%). In den vergangenen Jahren war das Ausmaß fremdenfeindlicher Einstellungen leicht zurückgegangen. In 2010 deutet sich jedoch eine erneute Trendwende an. 3

Rassismus:

Rassismus umfasst jene Einstellungen und Verhaltensweisen, die Abwertungen mit einer konstruierten ‚natürlichen‘ oder ‚biologisch fundierten‘ Höherwertigkeit der Eigengruppe bzw. einer Minderwertigkeit einer identifizierten Fremdgruppe begründen. Als Element der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit erfassen wir nur diese klassische Form von Rassismus. Modernere Varianten werden in unregelmäßigen Abständen erfasst. In 2010 sind 11% (2002: 16%) der befragten Deutschen der Ansicht, „die Weißen sind zu Recht führend in der Welt“. 19% (2002: 22%) meinen, ‚Aussiedler sollten aufgrund ihrer deutschen Abstammung besser gestellt werden als Ausländer‘. Das Ausmaß von Rassismus stagniert weitgehend seit 2002 mit leicht abfallender Tendenz.4

Ausführlichere Informationen zu diesem Element finden Sie im Beitrag „Kultureller und Alltäglicher Rassismus“.

Antisemitismus:

Antisemitismus definieren wir als feindselige Mentalität gegenüber Juden in all seinen Facetten. Neben klassischen Varianten des Antisemitismus, die traditionelle Stereotype und Konspirationsmythen umfassen, erheben wir in unregelmäßigen Abständen auch transformierte Facetten. Hier werden antisemitische Einstellungen über Umwege kommuniziert, z.B. über eine antisemitische Kritik an Israel oder unter Bezug auf den Holocaust.

Antisemitische Konspirationsmythen vertreten in 2010 rund 16% der Deutschen, indem sie der Aussage zustimmen: ‚Juden haben in Deutschland zu viel Einfluss.‘ (2002: knapp 22%). 12,5% (2002: knapp 17%) stimmen der Aussage zu: ‚Durch ihr Verhalten sind die Juden an ihrer Verfolgung mitschuldig.‘ Antisemitismus in seiner traditionellen Ausprägung hat in den letzten Jahren kontinuierlich abgenommen.

Allerdings beobachten wir seit 2008 einen erneuten, leichten Anstieg. Das Niveau liegt insgesamt allerdings immer noch unter dem von 2002. Ein signifikanter, erneuter Anstieg ist vor allem bei Israelbezogenem Antisemitismus zu beobachten. 38% (2004: 44%; 2006: 30%; zuvor nicht erfasst) der Deutschen stimmen in 2010 zu: ‚Bei der Politik, die Israel macht, kann ich gut verstehen, dass man etwas gegen Juden‘. 57% (2004: 68%; 2006: 42%) meinen: ‚Israel führt einen Vernichtungskrieg gegen die Palästinenser.‘ 5

Ausführlichere Informationen zu diesem Element finden Sie in dem gesonderten Beitrag .

„Antisemitismus, Antizionismus & Israelkritik“.
Islamfeindlichkeit:

„Islamfeindlichkeit benennt ablehnende Einstellungen gegenüber Muslimen, ihrer Kultur und ihren öffentlich-politischen wie religiösen Aktivitäten. Wie bei den anderen Elementen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit geht es hier um pauschalisierende Bewertungen, stereotypenbasierte Unterstellungen, die übertriebene Vermutung kultureller Differenzen und das Anlegen eines doppelten Standards.

Derzeit vermischen sich in islamfeindlichen Einstellungen religiöse, kulturalistische, rassistische und sozial-ökonomische Argumentationsmuster. Negative Einstellungen gegenüber Muslimen haben im vergangenen Jahr wieder deutlich zugenommen, so dass sich nach einem leichten Absinken nun wieder ein ähnliches Ausmaß wie zu Beginn unserer Studie in 2002 beobachten lässt.

In 2010 befürworten wie in 2003 (zuvor nicht erfasst) 26% der Deutschen einen Ausschluss von Muslimen, indem sie der Aussage zustimmen: ‚Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden‘. Das Gefühl, sich durch die Muslime manchmal wie ein Fremder im eigenen Land zu fühlen, hat von 2003 (31%) auf 2010 (39%) zugenommen.6

Die Demonstration von Etabliertenvorrechten gegenüber Neuankömmlingen:

Etabliertenvorrechte bezeichnen die Befürwortung einer Vorrangstellung von Alteingesessenen im Vergleich zu Neuankömmlingen, gleich welcher Herkunft. Neuankömmlingen werden gleiche Rechte vorenthalten und somit wird der Grundsatz der Gleichwertigkeit unterschiedlicher Gruppen verletzt. Das Konzept der Etabliertenvorrechte lehnt sich an die Arbeiten ‚Etablierte und Außenseiter‘ von Norbert Elias an, der beobachtete, wie Neuankömmlinge in einer Region wie ‚Fremde‘ aus einem anderen Land behandelt wurden. Unsere Daten unterstreichen die enge Verbindung von Fremdenfeindlichkeit und der Zustimmung zu Etabliertenvorrechten.

In 2010 waren fast 65% (2002: 58%) der befragten Deutschen der Ansicht, ‚wer irgendwo neu ist, sollte sich erst mal mit weniger zufrieden geben‘. 38% (2002: 41%) der Befragten geben an, dass den Alteingesessenen mehr 26 Rechte zustehen sollten als neu Hinzukommenden. Die Zustimmung zu Etabliertenvorrechten ist von einem vergleichsweise niedrigen Ausmaß in 2009 im vergangenen Jahr drastisch angestiegen; zusammengenommen liegt es sogar leicht über dem Ausgangsniveau von 2002.7

Sexismus:

Sexismus betont die Unterschiede zwischen den Geschlechtern im Sinne einer Demonstration der Überlegenheit des Mannes und fixierter Rollenzuweisungen an Frauen. Sexismus ist ein Sonderfall, weil es sich hierbei nicht, wie bei den anderen Gruppen, um die Ungleichwertigkeit einer zahlenmäßigen Minderheit, sondern einer Mehrheit der Bevölkerung handelt.8

Der klassische Sexismus ist seit 2002 eher rückgängig. Der Aussage, Frauen sollten sich wieder mehr auf die Rolle der Ehefrau und Mutter besinnen“ stimmten in 2014 nur noch 18,3% der Befragten zu. Somit ist die Zustimmung von 2002 (mit 29,4%) zu 2014 um 11,1% gesunken. 9

Homophobie:

Homophobie bezeichnet feindselige Einstellungen gegenüber Homosexuellen aufgrund eines ‚normabweichenden‘ sexuellen Verhaltens und die Verweigerung gleicher Rechte. Das Ausmaß abwertender Einstellungen gegenüber homosexuellen Menschen ist seit 2002 rückläufig. 25% sprechen sich 2010 nach wie vor gegen die gleichgeschlechtliche Ehe aus, in 2005 waren dies allerdings noch 42%. Noch immer verurteilen 16% Homosexualität als unmoralisch.10

Während das Projekt der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ für 2010 feststellt, dass 26% der Befragten es als „ekelhaft [empfinden], wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen“, hält die Studie der „Fragilen Mitte“ für das Jahr 2014 eine Zustimmung von nur 20,3% fest. 11 Außerdem konstatiert die Studie, dass männliche Befragte häufiger homophobe Positionen vertreten (13,2%) als weibliche (10,6%).

Abwertung von Menschen mit Behinderung:

Abwertung von Behinderten bezeichnet feindselige Einstellungen gegenüber Menschen mit körperlichen oder geistigen Besonderheiten, die dadurch als von einer ‚Normalität‘ abweichend betrachtet werden. Dazu gehört auch die Unterstellung und Ablehnung von ‚zu viel‘ Unterstützung dieser Menschen. Gegenüber behinderten Menschen ist die Abwertung mit Blick auf alle Aussagen nahezu stagnierend, mit leicht abfallender Tendenz. In 2010 betrachten knapp 9% viele Forderungen von Behinderten als ‚überzogen‘; in 2005 (davor nicht erfasst) waren es noch 15%. 6% (2005: 7,5%) sind der Meinung, Behinderte erhielten zu viele Vergünstigungen.12

Während das Projekt der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ für 2010 feststellt, dass 7% der Befragten meinen, für Behinderte würde in Deutschland zu viel Aufwand betrieben (im Vergleich zu 6% im Jahr 2005), hält die Studie der „Fragilen Mitte“ für das Jahr 2014 eine Zustimmung von nur 6,3% fest. 13

Interessant ist, dass das Level der Einstellung in Bezug auf Sexismus (10,2% Ost, 10,9% West) und die Abwertung von Menschen mit Behinderung (4% ost, 4% West) die einzigen Elemente sind, die sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland ähnliche Zustimmungswerte erreicht haben. 14

Außerdem ist bemerkenswert: In sozioökonomisch sehr gut positionierten Schichten war die Abwertung von Menschen mit Behinderung (7,8%) und die Abwertung homosexueller (18,6%) Menschen am häufigsten vertreten.

Abwertung von Obdachlosen:

Abwertung von Obdachlosen zielt in feindseliger Absicht auf jene Menschen, die Normalitätsvorstellungen eines geregelten Lebens nicht nachkommen. Die Abwertung wohnungsloser Menschen ist seit 2002 insgesamt nahezu unverändert. […] 34% (2005: 39%) empfanden in 2010 Obdachlose in den Städten als unangenehm. Ein leichter Anstieg von knapp 23% in 2005 auf 28% in 2010 findet sich bei der Unterstellung, die meisten Obdachlosen seien ‚arbeitsscheu.15

Während das Projekt der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit für 2010 feststellt, dass 31% der Befragten meinen, „Bettelnde Obdachlose sollten aus den Fußgängerzonen entfernt werden“ (im Vergleich zu 35% in 2005), hält die Studie der „Fragilen Mitte“ für das Jahr 2014 eine Zustimmung von 30,7% fest. 16

Außerdem stellt die „Fragile Mitte“-Studie fest, dass Frauen häufig fremdenfeindliche Einstellungen (F: 22,1%, M: 17,6%), abwertende Einstellungen gegenüber Langzeitarbeitslosen (F: 50,9%, M: 44,6%), Obdachlosen (F: 21%, M: 16,2%) sowie Sinti und Roma (F: 30,2%, M: 22,7%) vertreten.

Abwertung von Langzeitarbeitslosen:

Langzeitarbeitslose wurden im Jahr 2007 als weitere, von Abwertung betroffene Gruppe berücksichtigt. Diese Gruppe wird unter dem Gesichtspunkt mangelnder Nützlichkeit für die Gesellschaft abgewertet. Seit der ersten Erfassung in 2007 haben sich die negativen Einstellungen gegenüber langzeitarbeitslosen Menschen kaum verändert. In 2010 fanden es 59% (2007: 61%) empörend, wenn sich Langzeitarbeitslose auf Kosten der Gesellschaft ein bequemes Leben machen.17

Während das Projekt der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit für 2010 feststellt, dass 47% der Befragten den meisten Langzeitarbeitslosen unterstellten, „nicht wirklich daran interessiert“ zu sein, „einen Job zu finden“, hält die Studie der Fragilen Mitte“ für das Jahr 2014 eine Zustimmung von 44,8% fest.18

Dabei ist die Abwertung von langzeitarbeitslosen Menschen in allen Schichten etwa gleich stark verbreitet (Unten: 48%, Mitte: 47,7%, Oben: 49,3%). Mit Blick auf die Einstellungen entlang der Trennung Ost-West zeigen sich deutliche Differenzen: 55,4% Ost, 46,3% West. Im Übrigen gilt die starke Differenz in der Ablehnung in Ost und West auch für asylsuchende Menschen (52,8% Ost, 42,4% West) und Sinti und Roma (35,1% Ost, 25,5% West). Dabei sind die abwertenden Einstellungen gegenüber Langzeitarbeitslosen (57,6%), aber auch rassistische Positionen (11,6%) am häufigsten in der Altersgruppe von 16 bis 30 Jahren vertreten.19

Weitere interessante Aspekte der „Fragile Mitte“-Studie sind, dass die Zustimmung zu Antisemitismus (2011: 8,1%, 2014: 8,5%), Sexismus (2011: 11,7%, 2014: 10,8%) und die Abwertung von Menschen mit Behinderung (2011: 4,5%, 2014: 4,1%) über die Jahre relativ konstant bleiben. Beim Blick auf die politische Selbstverortung der Befragten zeigte sich, dass Ressentiments gegenüber schwachen Gruppen bis weit in die politische Mitte hinein reichen.

Besonders erwähnenswert ist z.B. die Abwertung langzeitarbeitsloser Menschen (51,2%), wohnungsloser Menschen (20%), asylsuchender Menschen (47,7%) sowie die Abwertung von Sinti und Roma (26,5%), Fremdenfeindlichkeit (19,8%) und das Pochen auf Etabliertenvorrechte (39,7%). […] Aber auch das sich politisch links einordnende Spektrum ist nicht frei von z.B. der Ablehnung langzeitarbeitsloser (30,8%), und asylsuchender (26,1%) Menschen.20

Die Forscher_innen betonen selbst, dass diese Auswahl nicht „erschöpfend“ ist – folglich je nach gesellschaftspolitischer Entwicklung veränderbar oder im schlimmsten Fall erweiterbar.

Der gemeinsame Kern, auf dem alle einzelnen Elemente der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“ beruhen, ist die Ideologie der Ungleichwertigkeit. Häufig werden die abschätzigen Einstellungen nicht offen zur Schau getragen. Vielmehr werden sie umschrieben und „politisch korrekt“ geäußert, zum Beispiel, wenn doch eigentlich niemand angegriffen werden soll, sondern „nur“ sogenannte Etabliertenvorrechte gefordert werden. Hinter solchen „Forderungen“ verbergen sich allerdings häufig massive Verletzungen von Gleichheitsgrundsätzen, welche eine humane Gesellschaft ausmachen. Solcherlei „Verletzungen können dann je nach Kontext mit „kulturellen oder religiösen Argumenten zu konkreten Abwertungen bestimmter Gruppen ‚zugespitzt‘“ werden. Hier wird deutlich: Ressentiments und fest verankerte negative Einstellung gegenüber Gruppen werden nicht dadurch weniger, dass die Parameter der „political correctness“ neu ausgemessen werden.

Die Ideologie der Ungleichwertigkeit und die darauf aufbauende „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit drückt sich im Alltag in den verschiedenen Facetten aus. Dabei kann es sich um weite Teile der Gesellschaft betreffende ökonomische Umverteilungen von unten nach oben handeln oder kann in der Entfernung von einzelnen „ungern gesehenen“ Personen aus dem öffentlichen „Verkaufsraum“ Ausdruck finden. Aber auch Generalverdächtigungen gegenüber den Lebensstilen oder religiösen Überzeugungen ganzer Gruppen werden in Alltagsgesprächen und Medien transportiert. Wilhelm Heitmeyer erläutert:

Zum Teil werden Gruppen gegen andere instrumentalisiert oder als Bedrohungspotential auf die öffentliche Tagesordnung gehoben. Eine andere Variante besteht darin, die Situation schwacher Gruppen gar nicht erst zu thematisieren, sie also aus der öffentlichen Wahrnehmung und Diskussion auszuschließen, zu vergessen, mithin sie nicht anzuerkennen, um nicht über Verbesserungen ihrer Lage nachdenken zu müssen. Klammheimlich kann dazu auch die ‚Schuldumkehr‘ eingesetzt werden, womit die Ursachen für Abwertungen – quasi gesellschaftsentlastend – den Gruppen selbst zugeschrieben werden. Zugleich ist ihre Existenz latent im kollektiven Bewusstsein der Gesellschaft wach zu halten, gleichsam als Disziplinierungsinstrument für die restliche Bevölkerung, mit der unausgesprochenen Warnung, nicht ‚abzuweichen‘.21

Was bedeuten die Ergebnisse des Forschungsprojektes?:

Mit der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit lassen sich Zusammenhänge zwischen abwertenden Einstellungen gegenüber einer Vielzahl von Gruppen und ihnen zugehörenden Personen kenntlichmachen. Interessant ist vor allem, dass die Untersuchung sich nicht auf den sogenannten „rechten Rand“ der Gesellschaft fokussiert, aber die jeweiligen ideologischen Grundlagen solcher menschenverachtenden Überzeugungen einander ähneln. Das Konzept der „Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit ermöglicht es, solche Überzeugungen aufzuzeigen, ohne Abwehrreflexe einzelner Menschen zu aktivieren, weil sie nicht in die „rechte Ecke“ gedrängt werden wollen. Dort gehören viele auch nicht hin, eine solche Zuweisung würde das Problem mit rechter Ideologie und rechten Strukturen verharmlosen. Dennoch sollte die Gefahr gesellschaftlich fest verankerter Abwertung bestimmter Gruppen nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Ein zentrales Ergebnis der Untersuchung ist schließlich, dass menschenfeindliche Einstellungen in weiten Teilen der Gesellschaft unabhängig von ihrer subjektiven politischen Verortung verbreitet sind. Anetta Kahane von der Amadeu Antonio Stiftung:

Wer also einen Menschen nicht in seiner Eigenschaft als Person abwertet, sondern, weil er einer dieser Gruppen angehört, praktiziert diese Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.22

Weitere ausführlichere Informationen zum Thema „Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“ finden Sie im Internet – zum Beispiel auf den Seiten der Amadeu Antonio Stiftung unter www.amadeu-antonio-stiftung.de. Dort steht Ihnen auch die von der Stiftung bereitgestellte Broschüre „Reflektieren. Erkennen. Verändern. Was tun gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit? kostenlos zum Download zur Verfügung.

Alle Hinweise und Informationen können Sie auch in Ruhe auf der Sonderseite zur Ausstellung und auf der Website der Opferberatung ezra abrufen. Klicken Sie dazu bitte auf www.angstraeume.ezra.de oder www.ezra.de.

1 Heitmeyer, Wilhelm (2005): Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus.
Die Bedeutung von Initiativen in kommunalen Sozialräumen, in: Landeskommission Berlin gegen Gewalt (Hrsg.): Berliner Forum Gewaltprävention Nr. 20, S. 5f.

2 Vgl. Melzer, Ralf (2014) (Hrsg.): Fragile Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014. URL: http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/FragileMitte-FeindseligeZustaende.pdf.

3 Beutke, Mirjam (2013): Faktensammlung Diskriminierung. Programm Integration und Bildung der Bertelsmann Stiftung, S. 24. URL: https://www.bertelsmann-stiftung.de/fileadmin/files/Projekte/28_Einwanderung_und_Vielfalt/Faktensammlung_Diskriminierung.pdf.

4 Ebd, S. 24f.

5 Ebd., S. 25.

6 Ebd.

7 Ebd.

8 Küpper, Beate (2012): „Das Projekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“, IKG, Universität Bielefeld: https://www.uni-bielefeld.de/ikg/projekte/GMF/Gruppenbezogene_Menschenfeindlichkeit_Zusammenfassung.pdf.

9 Zick, Andreas; Klein, Anna (2014): Rechtsextreme Einstellungen in einer fragilen Mitte, in: Melzer, Ralf (Hrsg.): Fragile Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014. URL: http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/FragileMitte-FeindseligeZustaende.pdf.

10 Küpper, Beate (2012): Das Projekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. IKG, Universität Bielefeld: https://www.uni-bielefeld.de/ikg/projekte/GMF/Gruppenbezogene_Menschenfeindlichkeit_Zusammenfassung.pdf.

11 Zick, Andreas; Klein, Anna (2014): Rechtsextreme Einstellungen in einer fragilen Mitte, in: Melzer, Ralf (Hrsg.): Fragile Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014. URL: http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/FragileMitte-FeindseligeZustaende.pdf.

12 Küpper, Beate (2012): Das Projekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. IKG, Universität Bielefeld: https://www.uni-bielefeld.de/ikg/projekte/GMF/Gruppenbezogene_Menschenfeindlichkeit_Zusammenfassung.pdf.

13 Zick, Andreas; Klein, Anna (2014): Rechtsextreme Einstellungen in einer fragilen Mitte, in: Melzer, Ralf (Hrsg.): Fragile Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014 URL: http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/FragileMitte-FeindseligeZustaende.pdf.

14 Ebd.

15 Küpper, Beate (2012): Das Projekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. IKG, Universität Bielefeld: https://www.uni-bielefeld.de/ikg/projekte/GMF/Gruppenbezogene_Menschenfeindlichkeit_Zusammenfassung.pdf.

16 Zick, Andreas; Klein, Anna (2014): Rechtsextreme Einstellungen in einer fragilen Mitte, in: Melzer, Ralf (Hrsg.): Fragile Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014. URL: http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/FragileMitte-FeindseligeZustaende.pdf.

17 Küpper, Beate (2012): Das Projekt Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. IKG, Universität Bielefeld: https://www.uni-bielefeld.de/ikg/projekte/GMF/Gruppenbezogene_Menschenfeindlichkeit_Zusammenfassung.pdf.

18 Zick, Andreas; Klein, Anna (2014): Rechtsextreme Einstellungen in einer fragilen Mitte, in: Melzer, Ralf (Hrsg.): Fragile Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2014. URL: http://www.fes-gegen-rechtsextremismus.de/pdf_14/FragileMitte-FeindseligeZustaende.pdf.

19 Vgl. ebd.

20 Netz-gegen-nazis.de (2015): „Zahlen & Einstellungen: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit“. URL: http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/zahlen-einstellungen-gruppenbezogene-menschenfeindlichkeit-10067.

21 Heitmeyer, Wilhelm (2006): Expertise: Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Sachsen. URL: http://www.freistaat.sachsen.de/download/GMF_Expertise_Sachsen_1.pdf.

22 Kahane, Anetta (2006): Vorwort, in: Amadeu-Antonio-Stiftung (Hrsg.): Reflektieren. Erkennen. Verändern. Was tun gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit? S. 3-6. URL: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/w/files/pdfs/broschuere_gmf_2.pdf.