Viele Fälle der Ausstellung „Angsträume wurden von uns in die Kategorie der Gewalt von rechts eingeordnet. Es sind Angriffe, die sich beispielsweise gegen Migrant_innen, „Alternative“ oder politisch Engagierte richten. In einzelnen Fällen ist die ideologische Motivation der Täter_innen nicht direkt zu erkennen, sondern als ein Versuch zu verstehen, Angst bei denjenigen zu schüren, die von ihnen als „Feind_innen“ ausgemacht wurden.

Rechte Gewalt kann teilweise unberechenbar sein. Die Betroffenen können, ohne dass sie sich dessen bewusst sind, schlicht zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort den falschen Blick auf die falsche Person gerichtet haben – was in Fällen wie dem Kunsthaus in „Erfurteinen unvorhersehbaren Gewaltausbruch auslösen kann. Dabei gilt es zu betonen: Die Ursachen von Gewalt sind nie bei den Betroffenen zu suchen, sondern immer bei den Täter_innen.

Die vielen Fallbeispiele machen insgesamt deutlich, dass es sich hier um eine Kategorie handelt, die ein breites Spektrum zu erfassen hat. Dabei werden nicht nur direkte physische Übergriffe beobachtet, sondern zunehmend auch eine Form der Gewalt, die subtiler wirkt. Die Betroffenen solcher Gewalt sehen sich mit entsprechend motivierter Sachbeschädigung oder öffentlichen Verleumdungen und Bedrohungen konfrontiert.

„Einschüchterung“ als Form der Gewalt

Regelmäßig werden Erfahrungen oder Beobachtungen an die Opferberatung herangetragen, die sich in einem Bereich von feindlich motivierten Handlungen bewegen, die die Betroffenen als bedrohlich und beängstigend empfunden haben. Die Taten selbst gehen aber nicht in konkrete physische Gewalt über.

Nicht selten möchten Menschen, die von solchen Taten betroffen sind, diese Erfahrung nur vergessen oder leben in einem Klima, das ihnen keine Unterstützung zur Aufarbeitung der Tat bietet. Gleichzeitig werden viele Gewalttaten in der Öffentlichkeit nicht als solche wahrgenommen, sondern als „Bagatellen“ oder Einzelfälle. Deshalb ist es sehr schwierig, diese Vorfälle quantitativ zu bestimmen, wenn sie nicht an Beratungsinitiativen oder andere Institutionen übermittelt oder zur Anzeige gebracht werden. Und selbst wenn es zu einer Anzeige kommt, ist es oft schwierig, Aussagen über diese Inszenierung von Drohkulissen zu treffen. Viele Taten, beispielsweise im Bereich der Sachbeschädigung oder Bedrohung, erscheinen in den offiziellen Statistiken nicht als „politisch motivierte Kriminalität – rechts und werden nicht als Bedrohung einer konkreten Person oder Gruppe gewertet.

Zusätzlich reduziert sich das öffentliche Interesse und Verständnis von Gewalt allzu oft auf Prügeleien und Handgreiflichkeiten. Die individuellen psychischen Konsequenzen und die zum Teil drastischen Einschnitte in die Lebensqualität der Geschädigten werden dabei ausgeblendet. Schlagzeilen machen vor allem die Vorfälle, die einer voyeuristischen Spektakel-Logik folgen. Erschwert wird eine Auseinandersetzung darüber, wenn Vertreter_innen der jeweiligen Kommunen Rechtfertigungs- und Abwehrstrategien einsetzen, damit ihr Ort nicht das Image einer „rechten Hochburg“ bekommt.

Ein derartiges Klima macht es schwierig, diesen Aspekt der Bedrohung von rechts systematisch zu bearbeiten und öffentlich zu thematisieren. Die Konsequenzen für die verschiedenen Personen und Gruppen, welche alltäglichen Anfeindungen und Bedrohungen unterschiedlichster Art ausgesetzt sind, müssen stärker in den Fokus gerückt werden, um den Betroffenen Unterstützung geben zu können.

Zum Repertoire der „Einschüchterungsversuche gehören beispielsweise eingeworfene Fensterschreiben, zerstörte Briefkästen oder verklebte Türschlösser. Häufig geben Sprühparolen oder Aufkleber Hinweise auf die rechts motivierte Orientierung der Täter_innen. Aber auch die Präsenz von Nazi-Gruppen vor der eigenen Haustür oder an Infoständen und bei Veranstaltungen sowie Störaktionen schaffen ein Klima, das von den Betroffenen als bedrohlich empfunden wird. Auch kommt es immer häufiger vor, dass Personen fotografiert und diese Fotos mit den persönlichen Daten der Abgebildeten veröffentlicht werden. Diese „Anti-Antifa“-Strategie verstehen die Nazis als „Feindaufklärung“ und „Einleitung von Gegenmaßnahmen“. Sie sind sich der Wirkung bewusst, die solche Aktionen haben können.

Von diesen Formen rechter Gewalt und rechter Einschüchterungsversuche sind Personen betroffen, die von den Täter_innen in bestimmte Kategorien eingestuft und aufgrund dieser Zugehörigkeit und der damit verbundenen Ideologien abgewertet werden. Das betrifft Menschen aller Altersgruppen, die aufgrund ihrer Hautfarbe, Herkunft, Religion, sexuellen Orientierung, Behinderung oder ihres sozialen Status unterschiedlichsten Anfeindungen und Bedrohungen ausgesetzt sind.

Eine weitere Gruppe ist zunehmend von rechter Gewalt bedroht: Waren bisher primär Mitglieder von Antifa-Gruppen ausgemachte Ziele von rechter Aggression, werden mehr und mehr auch gegen rechts engagierte Menschen aus der Zivilgesellschaft und Personen des öffentlichen Lebens Ziel ihrer Attacken. Dabei reicht es in einigen Gegenden schon aus, Neonazi-Aufkleber abzureißen, um von den Rechten als „Feind_in“ markiert und zur Zielscheibe der Gewalt auserkoren zu werden – so wie es im Fall „Tannroda“ geschehen ist. Abgesehen von allgemeineren Propaganda-Sprühereien äußern Neonazis immer häufiger im öffentlichen Raum Drohungen gegenüber konkreten Personen.

Auch mit vermehrtem Verkleben von rechtsextremen Stickern in der Wohngegend einer politisch engagierten Person oder Anschlägen auf die Büros von Politiker_innen verschiedener Parteien wird ein Klima der Angst erzeugt. Dies wird insbesondere für engagierte Mitglieder der Partei DIE LINKE deutlich, die sowohl in ihren Wahlkreisbüros als auch im privaten Raum immer wieder mit anonymen Drohungen und Sachbeschädigungen konfrontiert sind.

Weitere Betroffene der neonazistischen Einschüchterungsversuche sind Bürgermeister_innen oder Angestellte der Kommunalverwaltung oder des Ordnungsamtes, Angehörige der Polizei, aber vor allem auch Journalist_innen. Leider werden nicht zuletzt auch couragierte Mitmenschen, die bei etwaigen Attacken von Rechten nicht wegsehen, sondern eingreifen, Ziel von Anfeindungen oder gar Übergriffen. Die Fälle „Ballstädt“ und „Kahla“ verdeutlichen die Aggressionen gegenüber zivilgesellschaftlichem Engagement sehr deutlich.

Wie die Fälle „Nordhausen“ oder „Kunsthaus Erfurt“ zeigen, werden auch Menschen, die alternativen Subkulturen angehören oder sich derartig in der Öffentlichkeit präsentieren, zum Aggressionsziel gewaltbereiter Rechter. Dabei spielt es für die Täter_innen keine Rolle, welche Überzeugungen die einzelnen Betroffenen haben. Sie werden – wie Mitglieder anderer Gruppen auch – einer Gruppe zugeordnet und als „Feind_innen“ ihrer Ideologie markiert.

Dieser Punkt ist insofern wichtig, als es in den letzten Jahren vermehrt dazu gekommen ist, dass in Regionen oder Kommunen, in denen rechte Strukturen und Übergriffe zum Alltag gehören, häufig diejenigen zum Auslöser, wenn nicht gar zur Ursache des Problems gemacht werden, die sich aktiv gegen eine rechte Hegemonie engagieren. Ohne die – wie auch immer definierten – „Linken“ gebe es kein Problem mit den „Rechten“, so eine weitverbreitete Meinung.

Was auf bundespolitischer Ebene mit der Extremismustheorie forciert wurde, findet in solchen Argumentationen seine lokale Auswirkung. So kann es im Nachgang einer rechts motivierten Attacke dazu kommen, dass die menschenfeindliche Orientierung der Täter_innen zunächst ausgeblendet wird und die Betroffenen mit ihren Erfahrungen nicht ernst genommen werden.

Ein negativer Effekt solcher Einstellungen und Argumentationen ist des Weiteren, dass sich Personen – unabhängig davon, ob sie bereits von rechter Gewalt betroffen sind oder nicht – bedroht und allein gelassen fühlen. Die Region, in der sie leben oder die Orte, an denen sie Angriffe erlebten, werden für sie zu Räumen der Angst.

Der Fall „Greiz“ – ein NPD-Politiker instrumentalisierte zwei junge Männer aus Eritrea ohne ihr Wissen für seine rassistische Wahlkampfwerbung – ist nicht nur ein Fall von Rassismus, der deutlich macht, wie gefährlich es sein kann, die NPD im demokratisch legitimierten Spektrum der politischen Parteien zu haben. Der Fall ist auch ein Beispiel dafür, wie die NPD, aber vor allem auch organisierte Neonazis außerhalb der NPD keine Hemmungen haben, auf ihre „Feind_innen“ zuzugehen und auf Bedrohungsszenarien zu setzen. Ihr explizites Ziel ist es, Angst zu erzeugen, sie nutzen die „Drohkulisse als Strategie“.

Diese Strategie wird je nach Situation durch physische Übergriffe oder andere Machtdemonstrationen ausgeübt. Im Kontext der seit Sommer 2014 stark zunehmenden Stimmungsmache gegen Asylsuchende hat eine solche Inszenierung dem NPD-Politiker Köckert in Greiz perfekt in den Wahlkampf gepasst: Da es vermutlich schädlich gewesen wäre, im Wahlkampf durch Gewalt aufzufallen, kam ein „augenzwinkerndes“ Herabwürdigen der Betroffenen gerade recht.

Bedrohliche Situationen – auf der Straße, bei Veranstaltungen, im Internet und anderen Medien, zu Hause oder im Büro

Der Beratungsverein für Betroffene rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern „LOBBI“ hat im Dezember 2011 gemeinsam mit der Amadeu Antonio Stiftung eine Broschüre zur Problematik rechter Einschüchterungsstrategien veröffentlicht. Ein paar Punkte der Handreichung mit dem Titel „Im Fokus von Neonazis1 sollen hier in aller Kürze angerissen werden. Die Broschüre wird im Internet kostenlos zum Download bereitgestellt und beinhaltet konkrete Hinweise und Tipps zum Umgang mit bedrohlichen Situationen. Eines bringt die Broschüre besonders gut auf den Punkt und ist in diesem Kontext immer vor Augen zu halten:

Das subjektive Gefühl der Unsicherheit entsteht dabei ganz unabhängig von einer objektiven Gefahr weiterer Anschläge oder gar tätlicher Angriffe auf die eigene Person. 2

Bedrohungen auf der Straße und bei Veranstaltungen:

Viele der Konfrontationen mit Neonazis spielen sich im öffentlichen Raum ab – am Rande von Demonstrationen, Kundgebungen oder anderweitigen Veranstaltungen sowie zufälligen Begegnungen auf der Straße. Dabei besteht für Menschen, die von den Täter_innen als nicht-rechts oder nicht-deutsch wahrgenommen werden, immer eine Gefahr, tätlich angegriffen zu werden. Allerdings können Angriffe auch aus Pöbeleien und Beleidigungen bestehen. Immer häufiger ist es der Fall, dass als „Gegner_innen“ identifizierte Menschen von Neonazis abfotografiert werden. Aber auch die bloße Anwesenheit martialisch auftretender Neonazis kann Angst auslösen. Die so agierenden Rechten setzen auf das Wissen ihrer „Gegner_innen über ihre Gewaltbereitschaft und spielen mit einer solchen Präsenz. Sie sind sich bewusst, dass sie mit solchen Inszenierungen bereits erheblich Angst und Schrecken verbreiten können.

Bedrohliche Situationen: zu Hause und im Büro

Zielgerichtete Sachbeschädigungen im Wohnumfeld oder Büro, etwa eingeschlagene Fensterscheiben, rechte Parolen an der Hauswand, Aufkleber am Briefkasten oder Beschädigungen am Auto, können nicht nur finanzielle Folgen haben. Solche Angriffe tragen vor allem dazu bei, dass das individuelle Gefühl von Sicherheit beeinträchtigt wird.

Die Täter_innen dringen mit solchen Aktionen in den sozialen Nahraum ein, der bis dahin ein Garant von Sicherheit war. Außerdem können solche Attacken auch das soziale Umfeld beunruhigen sowie „kollektive Effekte“ nach sich ziehen – zum Beispiel, dass Personen in ähnlichen Situationen sich ohne einen faktischen Angriff bedroht fühlen und ihr Verhalten entsprechend anpassen. Die Nachricht solcher zielgerichteter Angriffe ist deutlich: „Wir wissen, wo du wohnst oder arbeitest, und wir sind gewaltbereit“. Für die Täter_innen ist das eine niedrigschwellige Tat: Die Aufklärungsrate solcher Delikte ist gering, das Risiko also gering, dafür zur Verantwortung gezogen zu werden. Aus juristischer Sicht handelt es sich meist um „minder schwere Delikte“.

Bedrohliche Situationen: im Internet und anderen Medien

Auch Rechtsextreme haben die Möglichkeiten und Spielräume von Internet und Social Media erkannt. Insbesondere in sozialen Netzwerken treten rechte Gruppen offensiv und selbstbewusst auf und nutzen die Möglichkeiten auch, um ihre Handlungen in Szene zu setzen. Häufig geschieht das im Deckmantel der „besorgten Bürger, sodass es schwierig wird, zwischen NPD-Politiker und Zivilgesellschaft zu unterscheiden. Mit dem Wandel vom Springerstiefel tragenden Glatzkopf der 1990er Jahre zum „lifestyle“- und „hipness“orientierten Rechtsextremen wird es also nicht nur auf der Straße, sondern auch im Web komplizierter, die rechten Codes und Aktionen zu erkennen.

Damit schaffen sie es, ihre Menschenverachtung besser zu verpacken und unter die Menschen zu bringen. Sie bringen eigene Video-Kanäle, Kleidungsmarken und selbst gedruckte Kleidung mit Hass erfüllten Botschaften unter die Menschen. Sie bewegen sich gleichzeitig in Facebook-Foren von Bürgerinitiativen und platzieren ihre Positionen gutbürgerlich an entsprechenden Stellen.

Außerdem sind sogenannte „Anti-Antifa“-Webseiten für konkrete und potenzielle Betroffene rechter Gewalt äußerst bedrohlich. Auf derartigen Seiten werden „Berichte“ über Menschen veröffentlicht, die sich gegen rechts engagieren oder aus anderen Gründen als „Feind_innen“ betrachtet werden. Für Betroffene ist es unangenehm und bedrohlich, im Fokus von Neonazis zu stehen. Besonders beängstigend wird das Ganze, wenn konkrete Drohungen, Adressen, Fotos oder andere persönliche Daten hinzugefügt werden.

Weitere und ausführlichere Informationen zum Thema „Rechte Einschüchterung, über die Spannbreite der entsprechenden Straftatbestände und darüber, wie rechtlich gegen sie vorgegangen werden kann, lässt sich in der erwähnten Broschüre „Im Fokus von Neonazis“ auf www.lobbi-mv.de nachlesen.

Alle Hinweise und Informationen können Sie auch in Ruhe auf der Sonderseite zur Ausstellung und auf der Website der Opferberatung ezra abrufen. Klicken Sie dazu bitte auf www.angstraeume.ezra.de oder www.ezra.de.

1 LOBBI (2011): Im Fokus von Neonazis. Rechte Einschüchterungsversuche auf der Straße – zu Hause und im Büro – bei Veranstaltungen – im Internet.
URL: http://www.opferfonds-cura.de/w/files/pdfs/fokus_web.pdf.

2 Ebd. S. 9.