Mario Jödecke (24.01.1993)

Eine Pizzeria in Schlotheim verfügt neben dem Gästeraum noch über einen ungenutzten Nebenraum. Einige der Gäste, die dort regelmäßig verkehren, bitten den Besitzer darum, diesen Raum für Abende mit Heavy Metal Musik nutzen zu können. Der Besitzer stimmt zu und rekrutiert aus ihren Reihen eine »Ordnungsgruppe«. Alsbald findet die erste Veranstaltung statt. Etwa 100 Jugendliche kommen.

Im Laufe des Abends gibt es Stress mit einer Gruppe Punks. Der spätere Täter ist auch anwesend.
Er zieht in der Auseinandersetzung ein Messer, verletzt aber niemanden.
In der Nacht zum 24. Januar findet wieder eine solche Party statt. Als eine kleine Gruppe Punks teilnehmen will, kommt es im Eingangsbereich zu Unruhen. Der spätere Täter droht einem der jugendlichen Punks bereits: »Dich hau ich noch in die Fresse!« 1

Als dieser antwortet: »Wenn Dir das was gibt« 2, reagiert er mit einem Faustschlag. Eine andere »Ordnungskraft« kündigt an, dass es jetzt wieder rund geht. Daraufhin holen das spätere Opfer Mario Jödecke und ein weiterer Punk einen Baseballschläger und eine Schreckschusspistole aus ihrem Auto. Sie kommen zum Eingang der Pizzeria zurück, wo sie sich mit der offenkundig gewaltbereiten »Ordnungsgruppe« anlegen.

Bei der Schlägerei wird auch der spätere Täter mit dem Baseballschläger getroffen. Er zieht sich zurück. Die Auseinandersetzung scheint beendet. Vor dem Eingangsbereich hat sich zwischen beiden Gruppen eine Distanz von etwa acht Metern gebildet. Sie greifen sich nun nur noch verbal an. Der verletzte spätere Täter kommt wieder hinzu und schreit: »Komm doch her oder bist du zu feige?« 3

Daraufhin geht Mario Jödecke mit dem Baseballschläger auf den Angreifer zu. Dieser zieht sein Messer. Es ist etwa 8 cm lang und wird wie eine Stoßwaffe gehalten. Er bleibt stehen, bis sich Mario Jödecke kurz vor ihm befindet. Bevor Jödecke zuschlagen kann, sticht der Täter mit seinem Messer auf Brusthöhe zu.

Der Stich durchdringt die Rippen und trifft Mario Jödecke direkt ins Herz. Er geht noch zurück zu seinen Freund_innen und lehnt sich an ein parkendes Auto. Dann bricht er auf dem Gehweg zusammen. Vergeblich werden Erste-Hilfe-Maßnahmen angewendet. Ein Notarzt stellt den Tod durch innere Blutungen fest.

Das Gericht spricht den Täter von seiner Schuld frei. Er habe in Notwehr gehandelt – da eine »Verteidigung mit bloßen Händen gegenüber dem Baseballschläger sinnlos gewesen wäre und ein anderes Abwehrmittel nicht zur Verfügung stand« 4. Auch sei dem Täter die Übung des Opfers mit dem Schläger bekannt gewesen.

Der Alkoholkonsum des Täters und die von ihm zuvor abgefangenen Schläge hätten seine motorischen Fähigkeiten eingeschränkt. Deshalb habe das Ziel seines Stichs kein anderes sein können. Die Aufforderung zur Gewalt durch den Täter erlaube »keinen sicheren Schluss auf das Vorliegen der Absicht«5.

Im Urteil selbst wird eine rechtsextreme Motivation des Täters nicht erwähnt. Insbesondere in den 1990er Jahren werden Taten oftmals aufgrund nachlässiger Ermittlungen entpolitisiert. Fälle, bei denen rassistische oder sozialdarwinistische Motive zumindest eine tatbegleitende oder -eskalierende Rolle gespielt haben, können so kaum nachvollzogen werden.

Der Fall ist bis heute nicht durch staatliche Institutionen anerkannt.

1 Landgericht Meiningen, Urteil vom 05.01.1994.
2 Ebd.
3 Ebd.
4 Ebd.
5 Ebd.