Karl Sidon (18.01.1993)

Im Januar 1993 geht Karl Sidon bereits seit 20 Jahren seinen Aufgaben im Arnstädter Schlosspark nach. Als Parkwächter achtet er darauf, dass niemand die Grünanlagen verschmutzt. Seit einiger Zeit kommen immer öfter rechte Jugendliche, die die Pflanzen zerstören und Einrichtungen auf dem Gelände demolieren.

Am 18. Januar gibt es deshalb wieder eine Auseinandersetzung mit den sogenannten Babyskins.
Eine Gruppe von fünf Jugendlichen beschädigt die Parktoilette für Behinderte. Als Karl Sidon das bemerkt, geht er ihnen nach.
Er ermahnt sie, wenigstens ihre Bierbüchsen aufzusammeln. Die Jugendlichen gehen auf ihn los und prügeln massiv auf ihn ein.
Sie traktieren Karl Sidon, bis er bewusstlos am Boden liegt.

Danach schleifen sie ihn auf die nahe gelegene und viel befahrene Bahnhofstraße. Dort wird er von mehreren Autos überfahren.
Er erliegt noch am Abend seinen schweren Verletzungen. Karl Sidon hinterlässt seine Frau und 3 Kinder im Alter von 23, 18 und 13 Jahren.

Das Erfurter Bezirksgericht verurteilt 2 der Jugendlichen im Alter von 15 und 16 Jahren zu 3 Jahren und 9 Monaten Haft. Dieser Fall wird einige Jahre später im Essay »Moderne Hinrichtung in Arnstadt« in den zeitgeschichtlichen Kontext der fremdenfeindlichen Stimmung in den ersten Jahren nach der Wiedervereinigung gesetzt.

So fragt Klaus Huhn: »Sind nach den Asylbewerben jetzt Deutsche dran, die auf der untersten Leiter stehen1 Auch die Bezeichnung der Täter als Babyskins muss in diesem Kontext gelesen werden: Anfang der 1990er kommt es vor allem in den nunmehr neuen Bundesländern vermehrt zu Übergriffen mit teilweise spontaner, aber vor allem besonderer Brutalität.

Die Täter_innen fallen durch ihre rechtsextreme Orientierung und das entsprechende Auftreten auf. Zudem sind sie besonders jung – viele unter ihnen zwischen 11 und 16 Jahren alt. In den lokalen Polizeiinspektionen erkennt man in ihnen kein Problempotenzial. Diese Jugendlichen wollen angeblich »einfach akzeptiert werden« und »quatschen die Meinung der Rechten nach«. Einzig, wenn sie »von Leuten provoziert würden, die vom äußeren Erscheinungsbild links aussehen, Gruftis oder Punks sind, dann drehen sie durch, gehen sie ›tätlich‹ vor«.2

Im örtlichen Jugendklub in Arnstadt kommt es zu dieser Zeit auch zu Problemen mit rechten Jugendlichen. Ein Mitarbeiter bezeichnet den tragischen Fall von Karl Sidon als »logische Folge der Ereignisse«3 vor Ort.

Der Fall wird von der Bundesregierung 2009 anerkannt.

1 Huhn, Klaus: »Moderne Hinrichtung in Arnstadt«.
2 Ebd.
3 Ebd.