Oberste Priorität hat die Unterstützung der Betroffenen. Angehörige und Freund_innen sollten die betroffene Person nicht allein lassen, eine Begleitung anbieten und für ihr Wohlbefinden und ihre Stabilisierung sorgen. Ist man selbst Opfer geworden, sollte man versuchen, sich nicht zurückzuziehen, sondern vertraute Menschen um Unterstützung bitten und diese annehmen.

Wer körperliche Verletzungen davon getragen hat, sollte sich in medizinische Behandlung begeben; auch dann, wenn die Verletzungen zunächst unbedeutend erscheinen. Man sollte Ärzt_innen alle Verletzungen mitteilen und dafür Sorge tragen, dass diese in das ärztliche Attest aufgenommen werden. Äußerlich erkennbare Verletzungen sollten fotografiert werden.

Spuren der Gewalteinwirkung müssen sorgfältig dokumentiert werden. Beschädigte oder verunreinigte Kleidung und sonstige Gegenstände sollten aufbewahrt werden. Je genauer die Schäden dokumentiert werden, desto besser kann der Vorfall später im Interesse der Betroffenen vor Gericht, bei gesundheitlichen Versorgungsfragen oder in der Öffentlichkeitsarbeit dargestellt und belegt werden.

Geschädigte und andere Personen, die als Tatzeug_innen in Betracht kommen, sollten unabhängig voneinander ein Gedächtnisprotokoll anfertigen, das den Ablauf des Tatgeschehens mit allen Details enthält. Es wird helfen, sich das genaue Geschehen in Erinnerung zu rufen, wenn später eine Zeug_innenaussage gemacht werden soll. Bis dahin können Monate oder gar Jahre vergehen.

Wenn die Polizei zum Tatort gerufen wird, nimmt sie vor Ort die Personalien der anwesenden Personen auf und führt erste Gespräche. Schon hier kann eine Strafanzeige gestellt werden. Eine Anzeige ist aber auch noch später möglich. Man kann sich durch Freund_innen oder Berater_innen von ezra bei der Anzeigenstellung zur Polizei begleiten lassen. Personen, die sich in der deutschen Sprache nicht sicher fühlen, haben für ihre Aussage bei der Polizei ein Anrecht auf die Begleitung durch Dolmetscher_innen.

Ohne Anzeige gibt es kein Ermittlungsverfahren und keine strafrechtliche Verfolgung. Es sei denn, die Polizei erfährt auf einem anderen Wege vom Angriff. Dann ermitteln die Beamt_innen von Amts wegen. Haben gewaltbereite Rechte den Eindruck, ihre Opfer seien so eingeschüchtert, dass sie keine Anzeige stellen, können sie sich bestätigt und zu weiteren Gewalttaten ermuntert fühlen. Eine Anzeige ist die Voraussetzung für Entschädigungszahlungen, das Geltendmachen von Schmerzensgeld und die Kostenübernahme bei gesundheitlicher Versorgung.

Hat man sich für eine Strafanzeige entschieden, sollte zugleich ein Strafantrag gestellt werden, damit die Polizei nicht nur über eine mögliche Straftat informiert wird, sondern diese unter Umständen auch wegen der Verletzung minderschwerer Straftatbestände verfolgbar ist. Eine Strafanzeige kann jede und jeder stellen, einen Strafantrag jedoch muss die geschädigte Person einreichen.

Das Ermittlungsverfahren ist der erste Teil eines Strafverfahrens. Wenn Polizei und Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen zu Ende geführt haben, entscheidet die Staatsanwaltschaft, ob sie bei Gericht Anklage erhebt oder ob sie das Strafverfahren einstellt. Eine Einstellung des Verfahrens geschieht, wenn die Täter_innen nicht ermittelt werden konnten; andere Gründe können eine schlechte Beweislage sein, die eine Verurteilung unwahrscheinlich macht, oder die Tatsache, dass Tatverdächtige nicht greifbar sind. Wird Anklage erhoben und diese von dem Gericht zugelassen, kommt es zum Hauptverfahren, dessen entscheidender Teil die Gerichtsverhandlung ist.

Die Gerichtsverhandlung findet mitunter erst zwei Jahre nach der Tat statt. Während der Hauptverhandlung im Gerichtssaal werden alle Zeug_innen noch einmal angehört. Die Gerichtsverhandlung endet dann mit einem Urteil, das vom Freispruch bis zur Freiheitsstrafe reichen kann.

Über Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche wird normalerweise in einem Zivilverfahren entschieden. Mit einem Adhäsionsantrag können Verletzte aus einer Straftat beantragen, dass ihre zivilrechtlichen Ansprüche im Strafverfahren mitentschieden werden. Hierzu ist es sinnvoll, anwaltliche Hilfe einzuschalten. Wird über die Ansprüche nicht im Strafurteil entschieden, bleibt immer noch die Möglichkeit einer Klage bei einem Zivilgericht.

Ein Weg, um schneller, sicherer und mit weniger Aufwand zumindest Schmerzensgeld zu erhalten, ist ein Antrag auf Entschädigung aus einem Fonds für Opfer rechter Gewalt, der vom Bundesministerium für Justiz verwaltet wird.