Wir werden in einer Welt groß, in der die Vorstellung vorherrscht, dass es auf eine natürliche Art nur zwei Geschlechter gibt und diese sich gegenseitig sexuell anziehen müssen. Diese Vorstellung ist zur Norm geworden und wird auch als heteronormatives zweigeschlechtliches System bezeichnet.

In diesem Zwei-Geschlechter-System ist das biologische Geschlecht Maßstab für Geschlechtsidentität, Geschlechtsrolle und sexuelle Orientierung eines jeden Menschen. So sind die Normen und Rollen zum Beispiel für einen Menschen der biologisch weiblich geboren wurde: eine heterosexuelle Orientierung, eine weibliche Geschlechtsidentität und das Ausfüllen weiblicher Rollen wie z.B. Mutter.1

Jegliche Abweichung von dieser Annahme wird als nicht „normal“ wahrgenommen und mit unterschiedlichen Reaktionen beantwortet – oftmals reicht die Spannweite von Stereotypisierung über Abwertung bis hin zu offensiver Ablehnung. Diese Reaktionen werden als homophob bezeichnet. Die Betroffenen gehören vor allem – aber nicht nur – dem LGBTI*-Spektrum an. Diese Abkürzung steht für lesbian, gay, bi, trans, inter, also lesbisch, schwul, bi-, trans- und intersexuell. Das „Sternchen“ am Ende der Abkürzung soll die Vielfalt dieser „Gruppe“ darstellen, weshalb auch häufig von „Spektrum“ statt Gruppe gesprochen wird. Nicht alle Menschen finden sich in den Kategorien und Rollen der Heteronormativität wieder, aber auch die Kategorien LGBTI beschreiben nicht die gesamte Vielfalt von sexuellen Orientierungen und Identitäten, deshalb wird der Begriff Spektrum und das „Sternchen“ verwendet.

Homo- und Transphobie spielt unter Rechtsextremen deshalb eine wichtige Rolle, weil sie sich fundamental auf die Heteronormativität bzw. auf ein „traditionelles Familienideal stützen. Dieses beinhaltet:

eine patriarchale Ordnung, in deren Zentrum die heterosexuell strukturierte Familie steht. Diese wird als Keimzelle der herbeigesehnten ‚Volksgemeinschaft‘ verstanden, dessen Träger der deutsche ‚Volksgenosse‘ ist: Der Mann als Beschützer der Familie und ‚politischer Soldat‘ und die Frau als Mutter und Hüterin des Heims.2

Alle Personen, Identitäten und Lebensweisen, die nicht dieser Ideologie und der Vorstellung einer „Volksgemeinschaft“ entsprechen, werden „abgewertet, bedroht, ihre Existenz negiert oder vernichtet“. Dies betrifft neben Homo- und Bisexuellen auch Inter- und Transsexuelle, die von der extremen Rechten als „unnatürlich und ‚volksschädigend‘ stigmatisiert“ werden. Daraus folgt nicht nur eineFamilienpolitik von rechts“ in ihren Parteien und Gruppierungen, sondern vor allem ein ernst zu nehmendes Bedrohungspotenzial an physischer Gewalt für alle LGBTI*-Personen.

Allerdings ist die Ablehnung von Identitäten und Lebensweisen, die nicht der Heteronormativität entsprechen, so alltäglich und „normal“ geworden, dass man sogenannten „leichten Abwertungen“ im Alltag regelmäßig begegnen kann, diese also anscheinend im Bereich des gesellschaftlich Tolerierbaren liegen. So ist das Adjektiv „schwul nicht nur eine Selbstbeschreibung einer männlichen Person mit gleichgeschlechtlicher Orientierung, sondern auch Ausdruck von Makel und Minderwertigkeit.

Auf etlichen Schulhöfen ist das Wort „schwul“ Teil des alltäglichen Sprachgebrauchs und es wird verwendet, um andere zu beleidigen. Große Vorbilder haben Kinder dabei beispielsweise im Bereich des Fußballs, in dem es bis vor einiger Zeit als normal galt, „schwul“ als Schimpfwort zu nutzen. Gleichwohl es Initiativen gibt, die dagegen ankämpfen, funktioniert die Bezeichnung als „schwul“ oder „lesbisch“ in den Klassenräumen und Umkleidekabinen, aber auch auf der Straße weiterhin als Stigmatisierung und Angriff auf andere Menschen.

Im Fall „Jena, der in der Ausstellung dargestellt ist, ist eindrücklich zu erkennen, wie Homophobie zunächst als „Beleidigung“ wirken sollte und direkt in gewalttätige Aggression umschlug. Dabei hat Homophobie viele Gesichter und Ausdrucksformen. Diskriminierung, Ausgrenzung und Benachteiligung, Beleidigung, Mobbing, Körperverletzung und Sachbeschädigung, Verschwörungstheorien, Hassparolen und Hetzartikel bilden das Repertoire, mit dem homo- und transsexuelle Menschen dauerhaft konfrontiert sind.

Für die Beratungsstelle ezra sind dabei vor allem die Ausdrücke von Homophobie Teil ihrer Arbeit, die sich in konkreter Gewalt und in Einschnitten in konkretes Privatleben ausdrücken. Im Blick der Öffentlichkeit wird allerdings selten wahrgenommen, für welche Gruppen diese Form der Menschenfeindlichkeit besonders schwierig ist. Vor allem Kinder und Jugendliche, die eine homosexuelle oder transsexuelle Identität leben oder mit entsprechenden Identitätskrisen konfrontiert sind, sind eine besonders schutz- und unterstützungsbedürftige Gruppe.

Homo- oder transsexuelle Kinder und Jugendliche sind abseits ihrer eigenen Identitätsfindung häufig konfrontiert mit Ablehnung durch andere Kinder oder das Aufsichtspersonal. Diese Ablehnung äußert sich in beleidigender Neugier, unausgesprochener Missbilligung, moralischer Belästigung, Ausschluss, Beleidigungen, Drohungen oder körperlicher Gewalt.

Im schlimmsten Fall treten schädliche Erziehungspraktiken auch in der eigenen Familie auf: beispielsweise wenn Kinder für erlebte oder antizipierte Diskriminierung und Gewalt verantwortlich gemacht werden, indem eine Mutter zu ihrer Trans*Tochter sagt: „Wenn du in einem Kleid zur Schule gehst, brauchst du dich nicht wundern, wenn die anderen sich lustig machen über Dich“. 3

Kinder können auch von Aktivitäten der Familie ausgeschlossen werden oder eine Distanzierung erfahren, verunglimpft oder verspottet werden. Auch durch die Geheimhaltung der Identität ihrer Kinder tragen Eltern oder Bezugspersonen dazu bei, die als Abwertung und damit minderwertig empfundenen Identitätsprobleme der Kinder zu verstärken. Im schlimmsten Fall erfahren sie körperliche Gewalt oder den Entzug von Liebe und Zuneigung.

Für erwachsene Menschen mit einer homo-, bi- oder transsexuellen Identität kommt es überdurchschnittlich häufig zu Abwertungen und daraus resultierender Angst am und um den Arbeitsplatz. Dabei ist die Spannweite der Diskriminierungen sehr groß: Zur Vielfalt der Probleme gehören lächerlich gemacht zu werden, ignoriert zu werden, die absichtliche Beschädigung von Kleidung und Eigentum, verbale Gewalt, Drohungen, körperliche Gewalt, unerwünschte Annäherungsversuche, unangebrachte Neugier, Kontaktverbot mit Kund_innen, Patient_innen, Schüler_innen etc., anhaltende Beschränkungen im beruflichen Fortkommen oder Entlassungen.

Unabhängig von der individuellen Lebenssituation besteht für homo-, bi- und transsexuelle Menschen eben auch im öffentlichen Raum ein Risiko für die physische und psychische Unversehrtheit. Dabei erfahren Transsexuelle solche Gewalt noch häufiger als Homosexuelle.

Die Betroffenen von solchen Diskriminierungen und Gewalterfahrungen sehen sich häufig mit unlösbaren Problemen konfrontiert. Obwohl das Angebot an Beratung und Unterstützung zugenommen hat, greifen Betroffene zum Teil auf folgende Bewältigungsstrategien als Folge von Gewalt zurück:

Sozialer Rückzug:
Betroffene ziehen sich so weit wie möglich aus nahezu allen Lebensbereichen zurück und führen ein Leben in Isolation.

Verheimlichen:
Betroffene organisieren die Öffentlichkeit ihrer Identität mit hoher Aufmerksamkeit und versuchen sich in einem Lebensbereich, in mehreren oder allen Lebensbereichen „nicht zu outen“, d.h. in diesen Bereichen unhinterfragt von Mitmenschen als heterosexuelle Person wahrgenommen zu werden.

Suizid:
Unter der Gruppe von Homo- und insbesondere Transsexuellen ist vor allem im Kindes- und Jugendalter eine erschreckend hohe Rate an Suizidgedanken und -versuchen zu beobachten. Im Vergleich zur heterosexuellen Mehrheit der Kinder und Jugendlichen ist die Suizidrate viermal höher.

Alle Hinweise und Informationen können Sie auch in Ruhe auf der Sonderseite zur Ausstellung und auf der Website der Opferberatung ezra abrufen. Klicken Sie dazu bitte auf www.angstraeume.ezra.de oder www.ezra.de.

1 http://www.vielfalt-statt-gewalt.de/fileadmin/vielfalt-statt-gewalt/pdf/Problemerhebung.pdf.

2 https://www.antifainfoblatt.de/artikel/homophobie-und-die-extreme-rechte.

3 http://www.vielfalt-statt-gewalt.de/fileadmin/vielfalt-statt-gewalt/pdf/Problemerhebung.pdf.